(Heraklit)
Dieses Zitat regt dazu an, über eine fundamentale Wahrheit der Existenz nachzudenken und damit einem ebenso fundamentalen Überlebens-Trick des Geistes auf die Spur zu kommen. Denn: Nicht ein einziger Moment, ein einziges Ding, ein einziger Mensch ist vom einen Moment auf den anderen derselbe/dasselbe. Die Zusammensetzung, Dynamik und Interaktion mit seiner Umweld eines Dinges, Wesens, Menschen ist in ständigem Wandel. Um trotz dieser Tatsache Bezugspunkte für zeitlich, räumliche, beziehungs- und interaktionsbezogene Konzepte zu haben und damit die Basis für geordnete Verhaltensmuster und Kommunikation (damit einhergehend soziale Gefüge und emotionale Beziehungen), schafft der Geist als eine seiner natürlichen Grundfunktionen die Idee des (mehr oder weniger) beständigen Objekts, welches aufgrund seiner Beständigkeit einen Beziehungsaufbau und Indentifikation ermöglicht. Gleichzeitig sind wir als Menschen ständig damit beschäftigt, die Beständigkeit bestimmter Objekte aufrecht zu halten und stemmen uns durch unsere Beziehung zu ihnen gegen das Unvermeidliche, nämlich das Verändern, Vergehen und Werden. Diese drei Dinge fordern den Geist heraus, da sie seine Beziehungen zur Welt gefährden. Denn in Beziehungen zu den Dingen und Wesen steckt Identität, und ein Gefährden der Beziehungen kommt einem Gefährden der Identität gleich.
Deshalb gibt es z.B. im Buddhismus das Konzept und das Streben nach dem Auslöschen des Ich, der Identität. Ohne Ich gibt es auch keine Ich-Beziehungen und damit kein Festhalten und Abstoßen. Dann gibt es nur noch Sein und den Fluss der Dinge und die Notwendigkeit bestimmter Handlungen. Aus dieser klaren Sicht auf die Beschaffenheit der Welt und dem Bewusstsein für die Ich-Beziehungen der Menschen kann dann ein tiefes Mitgefühl für das individuelle Leid, das aus diesen Identifikationen entsteht, aufkommen.
Selbst wenn dieses Zitat und dieser Gedanke nicht bis zu diesem Punkt gedacht wird, zeigt es uns: Nichts ist anhaltend. Alles entsteht, verändert sich und vergeht hier und jetzt, in diesem Moment. Bewusstheit macht hier den großen Unterschied zwischen unreflektierter Beziehungs-/Identitätsbildung und dem bewussten Eingehen (und zur rechten Zeit Loslassen) von Verbindungen.
Unterm Strich:
Sei dir der Dinge, Menschen, Tätigkeiten bewusst, mit denen du dich identifizierst und mit denen du in enger Beziehung stehst. Und schaue immer wieder nach, ob es noch gut ist, diese Identifikation aufrecht zu halten. Deine Beziehungsobjekte sind heute nicht mehr dieselben wie gestern, auch wenn dein Geist manchmal so lange als möglich diesen Standpunkt einnimmt. Und auch du bist nicht mehr dieselbe Person, die du gestern warst, auch wenn du dir noch sehr ähnlich siehst.